Ein Glasschrank voller Zukunft

Am Hochschulcampus Tuttlingen wird geforscht wie Brennstoffzellen kostengünstiger werden können

In den Räumen des Innovations- und Forschungs-Centrums Tuttlingen (IFC) wird derzeit eine Art überdimensionaler „Glasschrank“ voller Technik aufgebaut. Der neue Prüfstand für Brennstoffzellen macht es an der Hochschule Furtwangen möglich, eine besonders vielversprechende Zukunftstechnologie zu erforschen: die Energiegewinnung aus Wasserstoff.

Forschung an der Peripherie

Es ist ein Gewirr aus Leitungen, Ventilen, Pumpen und Kabeln, „und ganz da innen, darum geht es: das ist die Brennstoffzelle“, zeigt Prof. Dr. Frank Allmendinger, der den Aufbau des Prüfstandes in Tuttlingen mit beteiligten Partnerfirmen aus der Industrie koordiniert. Das Innenleben des riesigen Glasschranks, der nur in Einzelteilen überhaupt in das Labor hineinmanövriert werden konnte, funktioniert wie ein kleines Kraftwerk. Bei der umgekehrten Elektrolyse reagiert Wasserstoff mit Luftsauerstoff, mit dem Ergebnis: Strom, Wärme und Wasser. Die Brennstoffzelle selbst, in der das geschieht, ist nur etwa so groß wie ein Schuhkarton – darin gestapelt (deshalb auch die Bezeichnung „Stack“) sind Einheiten mit jeweils einer Anode, Kathode und einer Membran, die die Moleküle zur gewünschten Reaktion bringen. Das eigentliche Forschungsfeld von Prof. Allmendinger wird die Peripherie um die Brennstoffzelle herum sein, all die vielen Leitungen, Pumpen und Teile, die vielleicht optimiert, vielleicht durch kostengünstigere Lösungen ersetzt werden können. Das vielversprechende Projekt wird vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg mit rund 300.000 Euro gefördert.

Autos als rollende Heizung

Wasserstofftechnologie wird in Zukunft eine riesige Rolle spielen, davon ist Prof. Allmendinger überzeugt. „Wir treten hier aber an gegen die Verbrennungstechnologie, die über 100 Jahre lang entwickelt wurde“, sagt er. Die Vorteile der neuen Antriebssysteme sind: Bei Verwendung von „grünem“ Wasserstoff (also solchem, der durch Elektrolyse aus Wasser gewonnen wird) ist das Ganze nicht nur umweltfreundlicher, auch der Wirkungsgrad bei Wasserstoff-Brennstoffzellen liege mit 60 bis 70 Prozent wesentlich höher als bei herkömmlichen Verbrennern, so Allmendinger: „Ein Auto mit Verbrennungsmotor ist eigentlich eine rollende Heizung!“ Das bedeutet, dass bei wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen nur 40 Prozent der Kilowattstunden als Wärme abgegeben werden müssen – zum Vergleich: bei Verbrennermotoren sind es rund 70 Prozent. Auch gegenüber batteriebetriebenen Autos habe die Wasserstofftechnologie große Vorzüge, beschreibt Allmendinger: neben der noch ungelösten Entsorgung sei bei den derzeitig eingesetzten Batterien immer noch die Brandgefahr problematisch, „da sie ohne Sauerstoffzufuhr von außen in Brand geraten können“.

Zusammenarbeit mit der Industrie

Das Innenleben des Glasschranks ist eigens so arrangiert, dass die Forschenden jedes kleinste Teil gut erreichen können. Die Hochschule Furtwangen arbeitet bei dem Projekt eng mit Partnerfirmen aus der Industrie zusammen: Mitarbeitende von Marquardt, ElringKlinger und ETO MAGNETIC tüfteln gemeinsam daran, ihre zugelieferten Teilstücke zu einem funktionierenden Ganzen zusammenzufügen. Sie alle haben großes Interesse, an der Weiterentwicklung der Technologie direkt mitzuwirken. Auch die Gebäudetechnik des IFC ist bei der Inbetriebnahme gefragt: Für den Strom, den die Anlage liefern wird, wurde eine Rückführung ins Gebäude angelegt, Luft kommt aus den Kompressoren im Keller – nur der Wasserstoff wird für die Forschenden eine Herausforderung sein. „Wenn der Prüfstand mit Volllast läuft, werden wir die Wasserstoffflaschen im Stundentakt wechseln müssen“, sagt Prof. Allmendinger. Gut, dass das bei künftigen Wasserstoff-Autos an Tankstellen leichter gelöst werden kann!  

 

Fotos:

Viele Kleinteile ergeben ein vielversprechendes Ganzes: im IFC wird derzeit der Brennstoffzellenprüfstand installiert

Wasser(stoff) marsch: Prof. Dr. Allmendinger wird mit seinem Forschungsteam viele Wasserstoffflaschen austauschen müssen, um die große Anlage zu „betanken“.