14.07.2023

Good vibes und schräge Zähne

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Ein Mann berührt eine metallische Antriebsachse

Prof. Dr.-Ing. Steffen Jäger forscht an der HFU an elektrischen Antriebsystemen.

Im Labor Antriebstechnik der Hochschule Furtwangen geht es um den richtigen Dreh für Elektroautos

Wer ein Fahrzeuggetriebe für E-Fahrzeuge verbessern will, der muss zunächst auf die allerunterste Ebene schauen – davon ist Prof. Dr.-Ing. Steffen Jäger überzeugt. Jäger lehrt in der Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen der Hochschule Furtwangen und orchestriert in seinem Labor das, was ein Elektrofahrzeug zum Rollen bringt. Die Basis-Teile im Gesamtgefüge Antriebssystem, auf die er sich dabei besonders konzentriert, sind Zahnräder.

„Orchestriert“ ist in diesem Zusammenhang passend, denn in Jägers Labor geht es (auch) um Schall. „Es ist eine hochinteressante Frage, wie eine Maschine oder der Antrieb eines Elektroautos klingen soll“, sagt Jäger, der aus der Fahrzeug-Produktentwicklung kommt und diesen Blickwinkel auch an der HFU einbringt. Bei Verbrennern ist klar: je leiser, desto edler – und desto teurer. Verbrenner funktionieren allerdings auch mit ganz anderen Drehzahlen als Elektromotoren. Bei letzteren sind 20.000 Umdrehungen und mehr ganz normal, „statt dem lauten Verbrenner ist bei einem E-Fahrzeug deutlich der Zahneingriff zu hören“, so Jäger. Also geht es darum, Zahnräder leise zu machen und ihren Wirkungsgrad zu optimieren. In dem entsprechenden Forschungsprojekt „LeeAS – leise und effiziente elektrische Antriebsysteme“ kooperiert Prof. Jäger mit der Furtwanger Firma KOEPFER, die sich auf Verzahnungsteile und Getriebekomponenten spezialisiert hat. Von dort stammen auch die Zahnräder mit besonders schrägen „Zähnen“, die Jäger bereits in ein Getriebemodell verbaut hat. Derzeit tüftelt er an einer Optimierung hinsichtlich Geräusch und Wirkungsgrad durch Profilmodifikationen im Mikrobereich.

Präzise Schallanalyse und Virtuelle Simulation

Natürlich erfasst Prof. Jäger nicht nur die Dezibelzahlen, die bei den Testläufen im Labor gemessen werden. Jäger ist dabei, den Aufbau eines ganzen Prüfstandes zu koordinieren, mit dem eine physikalisch-virtuell gekoppelte Validierung erfolgen kann.  „Der Prüfstand gaukelt den Zahnrädern vor, dass sie gerade eingebaut in einem Elektroauto durch den Schwarzwald fahren“, sagt Jäger. Durch die Simulation am Prüfstand und die Simulationen der Systeme, die gleichzeitig auf Rechnern laufen, testet Jäger, wie das Getriebe verbessert werden kann, zum Beispiel in Bezug auf geringeres Gewicht und eine optimierte Schallabstrahlung. Dazu nimmt er auch das Gehäuse genau unter die Lupe, beziehungsweise unters Mikrofon. 

Zu bedenken ist bei dem Balanceakt von Lautstärke, Drehzahlen, Wirkungsgrad und Fahrkomfort auch, dass bei Elektrofahrzeugen eigentlich nicht mehr geschaltet wird. „Gerade bei Nutzfahrzeugen sehen wir großes Potential durch Schaltgetriebe“, sagt Jäger, „denn das Wirkungsgradkennfeld eines Elektromotors kann deutlich besser ausgenutzt werden, wenn man schaltet“. Wenn geschaltet werde, könne auch der Motor insgesamt viel kleiner gebaut werden, überlegt Jäger, „am Ende nur noch in der Größe eines Schuhkartons“.

Für seine Leidenschaft, das Fachgebiet des Luftschalls, kommt Prof. Jäger sein feines Ohr als Musiker zugute. Zahlreiche Exponate in seinem Labor zeugen von seiner Experimentierfreudigkeit. Jäger zeigt einen „Impulshammer“, der auf ein Rohr geschlagen wird: „Wir geben Energie in ein System hinein und schauen dann, was das System damit macht“, erklärt er. Auch an einem kleinen Windrad werden Schwingungen getestet. „Jede Maschine hat eine Eigenfrequenz“, schwärmt Jäger. Good Vibes herrschen in seinem Labor nicht nur bei den Forschungsansätzen, sondern auch in der Kooperation:
Die realen und virtuellen Möglichkeiten nutzen auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus anderen Fachbereichen und Hochschulen sowie Studierende.

Das Projekt LeeAS ist auf viereinhalb Jahre angesetzt und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Programms FH-Kooperativ gefördert.