23.03.2023

„Ein Lichtblick in Zeiten des Ärztemangels“

zu Aktuelles
Zwei Personen in Ärztekittel beim operieren während eine weitere Frau zuschaut

Ab dem Wintersemester wird Prof. Dr. Müller (rechts) Studierende an der HFU im neuen Studiengang „Physician Assistant“ begleiten, wie hier im Simulations-OP. In diesem Labor, das an der Hochschule interdisziplinär genutzt wird, lernen künftige „PAs“ zum Beispiel das Assistieren während eines Eingriffs. PAs sind keine Ärztinnen oder Ärzte, dürfen aber delegierbare Aufgaben übernehmen.

Hochschule Furtwangen führt neuen Studiengang „Physician Assistant – Arztassistent/in“ ein

Die Hochschule Furtwangen (HFU) erweitert zum Wintersemester 2023/24 ihre vielfältigen Studiengänge um ein weiteres Angebot: Künftig wird an der Fakultät Medical and Life Sciences am Campus Schwenningen auch „Physician Assistant – Arztassistent/in“ unterrichtet. Prof. Dr. Margareta Müller wird Studiendekanin des neuen Studiengangs und erklärt im Interview die spannenden Studieninhalte, und warum der in Deutschland noch neue Beruf des „Physician Assistant“ dringend gebraucht wird.

In Deutschland kennt man die Berufsbezeichnung „Physician Assistant“ noch kaum. Frau Prof. Dr. Müller – was macht denn ein oder eine „PA“?

Physician Assistants entlasten Ärztinnen und Ärzte, indem sie von der Anamnese bis zur Assistenz in der Notaufnahme viele Aufgaben in Kliniken, aber auch in Arztpraxen übernehmen. International gibt es PAs übrigens schon seit Jahrzehnten, sie sind zum Beispiel in den USA und in den Niederlanden schon längst nicht mehr aus dem Klinik-Alltag wegzudenken. 

Dürfen PAs auch Patientinnen und Patienten behandeln?

„Ein Physician Assistant ist kein Arzt, unser Studiengang führt auch nicht zu einer Approbation. Die Arztassistenz kann aber auf Anweisung Behandlungen wie Wundversorgungen übernehmen, bei Operationen assistieren, denkbar ist die Übernahme von Anamnese und Patientengesprächen, und natürlich der Bereich Dokumentation und Mitwirkung bei Abrechnungsverfahren. Diese hochqualifizierten Mitarbeitenden verschaffen den Ärztinnen und Ärzten wieder mehr Luft, um sich auf ihre Spezialgebiete zu konzentrieren. Das ist in Zeiten des Ärztemangels ein echter Lichtblick.“

Wie ist das Studium an der HFU aufgebaut?

Wir haben das Curriculum eng an das angelehnt, was die Deutsche Ärztekammer für die Ausbildung von Physician Assistants empfiehlt. Im ersten Semester geht es um naturwissenschaftliche Grundlagen, und natürlich auch um Grundlagen wie wissenschaftliches Arbeiten, aber auch erste Einblicke in klinische Fächer wie Diagnostik oder Anästhesie, die dann im weiteren Studienverlauf immer ausführlicher und tiefgreifender behandelt werden. Natürlich kommen auch solche Fächer wie Berufsrecht und Abrechnungswesen hinzu. Im siebten Semester schreiben die Studierenden eine Thesisarbeit und schließen das Studium mit dem ‚Bachelor of Science‘ ab.

Inwieweit können die Studierenden an der HFU solch praktische Dinge wie OP-Assistenz üben?

Wir haben an der HFU exzellent ausgestattete Labore, zum Beispiel einen komplett ausgestatteten Simulations-OP, in dem wir die Studierenden ausbilden. Bei uns lernen sie die Theorie und die Grundlagen. Zwei Semester, nämlich das dritte und sechste Fachsemester, verbringen unsere Studierenden dann bei einem unserer Praxispartner. Wir kooperieren mit verschiedenen Kliniken in der Region, die derzeit Praxisplätze zur Verfügung stellen, um die klinisch-praktische Ausbildung zu übernehmen. Dort ist verpflichtend eine Rotation in der Chirurgie und Inneren Medizin vorgesehen und zwei weitere Rotationen zur freien Wahl.

Welche Voraussetzungen sollten künftige PAs mitbringen?

Wir bieten den Studiengang Physician Assistant ohne die Bedingung einer vorherigen Ausbildung an, aber wir verlangen unter anderem den Nachweis über ein vierwöchiges Praktikum in der Pflege. Die Studieninteressierten müssen sich darüber im Klaren sein, dass sie sehr nahe am Menschen arbeiten und sollten schon einmal ausprobiert haben, ob das etwas für sie ist. Dieses Praktikum muss bis zum Ende des ersten Semesters absolviert werden. Darüber hinaus sollte man einfach ein Interesse an Medizin in ihrer ganzen Bandbreite mitbringen.

Welche Aufgaben haben Sie als Studiendekanin?

Ich selbst bin Humanbiologin und werde unsere angehenden Erstsemester in naturwissenschaftlichen Grundlagen unterrichten, in wissenschaftlichem Arbeiten und Physiologie. Als Studiendekanin bin ich die Ansprechpartnerin für die Studierenden in allen Belangen. Derzeit bin ich noch damit beschäftigt, das Curriculum und die Modulbeschreibungen zu entwickeln, die Dozierenden und Praxispartner zu finden. Glücklicherweise läuft das sehr gut – wir konnten schon einige Koryphäen gewinnen, zum Beispiel für den Fachbereich Kardiologie.

Auf was freuen Sie sich am meisten?

Für mich fühlt sich das gerade an wie Weihnachten! Dieser Studiengang ist ein echtes Herzensprojekt. Ich freue mich riesig darauf, die ersten Studierenden hier zu begrüßen, und ich werde wahnsinnig stolz sein, wenn wir die ersten Absolvierenden haben. Wir werden ein sehr hochwertiges Studium anbieten, denn wir möchten am Ende Leute in den Beruf entlassen, die Ärztinnen und Ärzte wirklich entlasten können. Die begeisterten Reaktionen aus Kliniken, die bereits mit PAs zusammenarbeiten zeigen, wie riesig der Bedarf ist. Die Notwendigkeit einer Veränderung in der Medizin ist klar – unser Studiengang trägt dazu bei, diese umzusetzen. Das ist ein enormer Ansporn.

Eine Beschreibung des neuen Studiengangs findet sich auf der Webseite der Hochschule Furtwangen: Link öffnet sich im gleichen Fenster:www.hs-furtwangen.de/studiengaenge/physician-assistant-bachelor/. Die Bewerbung um einen Studienplatz wird ab Ende April möglich sein.