
Prof. Dr. Stefan Selke (Zweiter von rechts) zusammen mit Dr. Stefan Scholz (Botschafter Österreichs) zu Gast in der brasilianischen Weltraumbehörde (Mitte links: Marco Chamon, Präsident der AEB). Bild: privat
Prof. Dr. Stefan Selke berät international zur zukünftigen Bedeutung von Raumfahrt
Der Soziologe und Transformationsforscher Prof. Dr. Stefan Selke von der Hochschule Furtwangen (HFU) ist derzeit Gast bei der brasilianischen Weltraumbehörde AEB (Agência Espacial Brasileira in der Hauptstadt Brasília. Seitdem Selke 2023 „Research Fellow for Space Flight and Future Narrative“ (in etwa: Wissenschaftlicher Berater für Raumfahrt und Zukunftsnarrative) bei der Europäischen Weltraumagentur ESA in Paris war, forscht er zum Thema „The public value of new space exploration” (Der gesellschaftliche Wert zukünftiger Weltraumforschung). Im Mittelpunkt steht hierbei die Frage, welche Bedeutung Raumfahrt jenseits technischer Nutzenaspekte hat und wie sich Fortschrittserzählungen über Raumfahrt mit Zukunftserzählungen über gesellschaftlichen Wandel verbinden lassen.
Sein ungewöhnliches Forschungsgebiet hat sich Selke erschlossen, nachdem er zunächst Luft- und Raumfahrt, danach aber Soziologie sowie weitere Sozial- und Geisteswissenschaften studierte. Vor diesem Hintergrund analysiert er nun neben technologischen Herausforderungen die gesellschaftlichen Bedeutungszuschreibungen an die Raumfahrt. „Es geht darum“, so Selke, „zu verstehen, was Menschen eigentlich meinen, wenn sie über Raumfahrt sprechen“.
Auf Vermittlung des österreichischen Botschafters in Brasilien, Dr. Stefan Scholz, hielt Prof. Selke nun in Brasilien einen Impulsvortrag in der AEB, dem eine angeregte, teils kontroverse Diskussion folgte. „Der Präsident der AEB, Marco Chamon, hatte nach meinem Vortrag jede Menge Fragen“, so Selke, „schließlich ging es darum, neben dem üblichen ‚Know How‘ auch nach dem zukünftigen ‚Know Why‘ von Raumfahrt zu fragen. Hierzu müssen zunächst liebgewonnene Selbstverständlichkeiten demaskiert werden. Am Ende war es jedoch eine für beide Seiten äußerst fruchtbare Debatte.“
Auch bei einem Empfang in der österreichischen Botschaft wurde Selkes Forschungsthema weiter diskutiert. „Raumfahrt ist vor allem eines: politisch“, sagt Selke. Der HFU-Professor inspirierte die geladenen hochrangigen Politiker, Botschafter sowie Vertreter des Militärs mit Fragen über die Zukunft der Raumfahrt, die mögliche Rolle Brasiliens sowie potenzielle Kooperationen mit Europa in einer zwischenzeitlich veränderten geopolitischen Situation.
Der Zeitpunkt für das Treffen ist gut gewählt. Sowohl Brasilien als auch Österreich und Europa haben gerade neue Weltraumstrategien veröffentlicht, die aber bislang jedoch nicht systematisch verglichen wurden. „Hier zeigen sich zahlreiche Forschungslücken“, sagt Selke, der gegenwärtig zusammen mit seinem Kollegen Prof. Dr. Ralf Gerlich in einen interdisziplinären Forschungstandem „Strategische Exploration des emergierenden Forschungsfeldes New Space. Inter- und transdisziplinäre Dialoge zwischen Space Power und Public Value“ am Institut für Angewandte Forschung der HFU untersucht. Das Forschungstandem versteht sich als ein grundlegender Beitrag zur Implementierung einer progressiven Forschungsperspektive an der Hochschule. Im März wird Stefan Selke erste Ergebnisse auf dem „Vienna Space & Security Congress“ präsentieren. Weitere Forschungsaufenthalte sind geplant, zum Beispiel beim europäischen Entwicklungszentrum ESTEC in Nordwijk in den Niederlanden.