Das virtuelle Semester lief gut – war das überraschend?

Ein erstes Fazit zum Studium im Zeichen von Corona

Das aktuelle Sommersemester war für alle Mitglieder der Hochschule Furtwangen (HFU) eine Premiere. Homeoffice, Studium von zu Hause aus, virtuelle Vorlesungen, geschlossene Bibliotheken – die Corona-Pandemie hatte ein grundlegendes Umsteuern erfordert. Am 20. April begann an der Hochschule Furtwangen der digitale Vorlesungsbetrieb, am 17. Juli endet die Vorlesungszeit und drei Wochen Prüfungsphase schließen sich an. Zeit, ein erstes Fazit zu ziehen. Wird die HFU künftig eine Fern-Hochschule werden? Wie haben die Studierenden auf das ganz andersartige Lehrangebot reagiert?

Eines steht fest: Das „Corona-Semester“ hat der HFU einen immensen Digitalisierungsschub verschafft. „Wir wollen die positiven Effekte erhalten“, sagt HFU-Rektor Prof. Dr. Rolf Schofer. Die Vorlesungen sind digitalisiert, unterschiedliche Software und Tools kommen für Online-Meetings zum Einsatz. Fahrten zwischen den Standorten – Furtwangen, Villingen-Schwenningen, Tuttlingen – wurden durch Video-Konferenzen ersetzt. Die Online-Ressourcen der Bibliotheken sind wichtiger denn je.

Alle durch Corona bedingten Maßnahmen basierten auf diesen Prämissen: Infektionsschutz, Vermeidung eines „Null-Semesters“, Gleichbehandlung und Rechtssicherheit. Ziel war es, den Hochschulbetrieb unter Einhaltung aller notwendigen Infektionsschutz-Maßnahmen zu gewährleisten. Neue Konzepte wurden aus dem Boden gestampft. „Keiner wusste zu Beginn des Semesters, wie das klappen sollte“, erinnert sich Rektor Rolf Schofer. „Die Unsicherheit, nicht zu wissen, wie es weitergeht, war das Schwierigste. Anfang April war nicht klar, wie das Sommersemester sich entwickeln würde.“ Die Corona-Verordnungen für Hochschulen galten immer nur für kurze Zeiträume, eine langfristige Planung war nicht möglich. „Wir standen vor Herausforderungen, die es in dieser Form zuvor nicht gegeben hatte“, blickt HFU-Kanzlerin Andrea Linke zurück. „Aber ich war von Beginn an zuversichtlich, dass wir das schaffen würden.“

Innerhalb kurzer Zeit musste ein digitales Semester auf die Beine gestellt werden. Die Hochschule Furtwangen mit ihren aktuell 5.705 Studierenden hatte bislang überwiegend auf Präsenz-Unterricht gesetzt. Die Motivation war groß – sowohl bei den Lehrenden wie bei den Studierenden. Videos, Arbeitsblätter, Online-Tutorien wurden vorbereitet – die Lehrenden nutzten die kurze Zeit zwischen der Ankündigung des Online-Semesters und dem Vorlesungsstart intensiv dazu, ihre bislang im Präsenzunterricht vermittelten Inhalte zu digitalisieren. Vieles war nicht eins zu eins umsetzbar, Kreativität und der Wille Neues auszuprobieren waren gefordert.

Dass dies mit großem Erfolg gelungen ist, führen die Ergebnisse der jüngsten Umfrage unter Studierenden vor Augen. Über 50% geben an, dass die Online-Lehre „sehr gut“ oder „gut“ funktionierte, 85% kommen gut mit dem für synchrone virtuelle Vorlesungen hochschulweit zur Verfügung gestellten Video-Konferenz-System Alfaview zurecht. Die Mehrheit der befragten Studierenden sagt, für sie sei dieses Semester trotz der digitalen Lehre „ein vollwertiges Semester“. Aber die Umfrage zeigt auch, dass sich in Zeiten von Corona nicht nur der Hochschulunterricht geändert hat sondern auch die Freizeitgestaltung: Die Studierenden gaben an, dass das Spazierengehen wesentlich zunahm, auch bei der Nutzung von Sozialen Medien und beim Musik hören gab es deutliche Zuwächse. Fernsehen und Computerspiele hingegen waren im Vergleich zu einem konventionellen Semester jedoch weniger beliebte Freizeitbeschäftigungen.

Die Server und die Software hielten dem Ansturm stand; entgegen der Zweifel zu Beginn des „Corona-Semesters“. Die Nutzungs-Höhenpunkte im virtuellen Vorlesungsraum Alfaview liegen mittlerweile vorhersehbar immer Mittwoch vormittags, wenn bis zu 2.000 Personen gleichzeitig online sind. Parallel zu live-Vorlesungen sind viele weitere Lehrformate im Einsatz. Der Laborbetrieb war ab Mitte Mai unter strengen Hygiene-Auflagen in Präsenz möglich.

Um das digitale Semester gut zu managen, wurden neue Strukturen geschaffen. So entstand die „Koordinierungsstelle digitales Lehren und Lernen“, für die Studierenden bot die Zentrale Studienberatung telefonische Einzelcoachings an, unter dem Namen FLORIAN ist zudem das neue Online-Lernzentrum entstanden. Dort stehen unter anderem studentische Tutorinnen und Tutoren in virtuellen Klassenzimmern bereit, um – kostenlos – Nachhilfe zu geben. Sogar mehrere virtuelle Pub Quizzes wurden veranstaltet. Der im Rektorat angesiedelte „Lenkungskreis Corona“ trifft sich regelmäßig in Online-Meetings, um auf die aktuellen Entwicklungen sowie die Corona-Verordnungen des Landes zu reagieren und alle anfallenden Fragestellungen rasch zu klären.

Ein erstes Fazit
„Es ergibt sich ein sehr vielschichtiges Bild, wenn wir auf dieses Corona-Semester blicken“, sagt HFU-Kanzlerin Andrea Linke. „Worüber wir sehr froh sind: Was die Infektionen anbelangt, ist die Hochschule nahezu unberührt geblieben. Es sind keine Schwerkranken bekannt, alle Erkrankten sind mittlerweile genesen.“ Die Studierenden hat dieses Semester auf eine harte Probe gestellt, ihr „studentisches Leben“ sah plötzlich ganz anders aus. Finanzielle Probleme kamen auf einige Studierende zu, weil ihre Nebenjobs nicht mehr vorhanden waren. Bund und Länder haben Notfallfonds aufgelegt. Für die Hochschule fielen Sonderausgaben an. Durch die nötigen Maßnahmen, von Anschaffung von Software oder Mund-Nase-Bedeckungen bis zur Ausweitung der IT-Kapazitäten sind bereits 200.000 Euro Mehrkosten entstanden.

Die Prüfungszeit
Nun steht die Prüfungszeit an. Die gute Nachricht ist: Alle Prüfungen können plangemäß starten, viele finden als Hausarbeiten statt, manche als Video-Interviews, viele Klausuren aber auch in Präsenz. 591 Präsenz-Prüfungen werden durchgeführt werden, dafür sind die Räumlichkeiten organisiert. Um die Mindestabstände zu wahren, werden deutlich mehr Räume genutzt, zum Teil wurden externe Räume eigens angemietet.

„Wir mussten das Sommersemester 2020 nicht verloren geben“, ist auch die Einschätzung aus Stuttgart. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer sagt: „Für diese herausragende Leistung haben wir allen Beteiligten zu danken: den Lehrenden und Studierenden, die sich auf die Veränderungen sehr schnell eingestellt haben. Dafür waren Flexibilität, Kreativität und manchmal auch Improvisationskunst nötig. Auch den Beschäftigten, besonders im IT-Bereich, die die Umstellung abgesichert haben, möchte ich ausdrücklich danken.“

Wie geht es weiter?
Das Wintersemester wird in Hybrid-Form unterrichtet werden. Es werden derzeit Szenarien erarbeitet, etwa das wochenweise abwechselnde Unterrichten einer Gruppe – so dass die Hälfte der Studierenden im Wechsel an der Hochschule ist oder zu Hause dem live übertragenden Unterricht folgt.

In der internationalen Wahrnehmung hat Deutschland die Corona-Zeit bislang gut überstanden. Das macht die HFU sehr attraktiv für Studieninteressierte aus dem Ausland – die derzeit eher ungern die USA oder Großbritannien als Ziel wählen. Das International Center bereitet sich auf die Begrüßung der ausländischen Studierenden zu Beginn des Wintersemesters vor.

Trotz der zunehmenden Möglichkeiten der Öffnung und damit von Präsenzveranstaltungen an der Hochschule wird der Gesundheitsschutz auch für den Studienbetrieb im kommenden Wintersemester noch eine besondere Rolle spielen. In den nächsten Monaten werden Präsenzveranstaltungen durch digitale Formate ergänzt werden müssen. „Ehrlich gesagt waren wir überrascht, wie gut die Umstellung auf ein digitales Semester gelang“, gibt Rektor Schofer zu. „Das war keine Selbstverständlichkeit, sondern es war richtig viel Arbeit.“ Dennoch möchte die Hochschule Furtwangen nicht zur Fernhochschule mutieren. „Der persönliche Kontakt, die individuelle Unterstützung unserer Studierenden, der Austausch unter den Lehrenden ist durch Online-Meetings nicht ganz zu ersetzen.“